Wirklichkeit.
Die menschliche Wirklichkeit ereignet sich in der Gegenwart.
Die Vergangenheit wird erinnert oder ist eine Rekonstruktion, die Zukunft wird erwartet oder geplant.
Existenz = Begegnung und dringt auf Entscheidung.
Es gab mal eine Zeit, da kannte man kein Handy und konnte auch ohne es leben.
Das gilt auch umgekehrt. In der DDR lernte man ohne Gott zu leben. Der Alltag war von der
Parteiideologie bestimmt: Arbeit, Politik und die Alltäglichkeiten wie Wetter, Technik, Sport und Politik.
Und davor? Da war bei fast allen alles von Gott bestimmt: Herrscher von Gottes Gnaden und der Alltag
galt als von Gott geordnet und gelenkt und wurde darum mit Gebet begleitet und auf Gottes Willen hin
befragt. Nur wenige versuchten ohne Gott aus zu kommen: Sie suchten nach Gesetzen, die alles anonym
– ohne Verursacher – mit Naturkräften erklären können. Diese naturwissenschaftliche Erklärung
unseres Alltags an Stelle von Gott als Regenten, wird heute noch betrieben.
Ich bin, wenn ich bewusst aktiv bin:
Wenn ich denke,
wenn ich Handarbeiten, ohne Routine ausführe,
wenn ich Speisen probiere,
wenn ich eine sexuelle Befriedigung suche
Gott ist, wenn
Ich ihn anrufe, dankend, suchend, klagend…..
Ich über ihn nachdenke
Jesus sagt laut Johannes: GOTT ist die Liebe.
Die Liebe ist keine natürliche Kraft, im Gegenteil! Die Liebe ist widernatürlich! Die Liebe ist eine
„Offenbarung“ in Jesus Christus. Das Neue Testament überliefert uns die Liebe als ein „Gebot“ – gegen
die menschliche „Sünde“, gegen das menschliche „Normalverhalten“, dem Leben ohne Gott.
Offenbar gibt es Situationen im Leben, wo die LIEBE geboten ist. Situationen, wo ich gefragt bin, ob
ich GOTT gehorchen will.
So in der Geschichte von den verlorenen Söhnen (Lukas 15):
„Vater, gib mir mein Erbe!“ Eine unverschämte Forderung des jüngeren Sohnes, der offenbar lieber leben
will in einem Land, wo alles billiger zu haben ist, als zu Hause zu arbeiten. Diesem Sohn fehlt offenbar
Lebenskenntnis wie auch die Achtung vor dem Vater.- Hat er nichts begriffen in seinem bisherigen
Leben?
Der Vater entrüstet sich nicht! Er gewährt dem Jüngsten die Freiheit, sein Leben, seinen Traum zu leben.
Das ist eine hingebungsvolle Vaterliebe, ja Selbsthingabe! Der Vater weiß, was im Leben zählt! Arbeit,
Vorsorge, Fürsorge und Selbstverantwortung.
In der Fremde macht der jüngste Sohn seine bittere Lebenserfahrung. Spät kommt seine Einsicht: Zu
Hause geht es reell zu. „Wer arbeitet, bekommt seinen Lohn“.
Der Vater fühlt sich in seiner Lebenserfahrung und Vaterliebe bestätigt! Vater und Sohn werden eins. Ein
Grund zum Feiern.
Und der ältere Bruder? Er kennt nur Arbeit und Gehorsam. Gewinnt er die Freiheit, auch die Liebe zu
erkennen? Bei ihm liegt die Entscheidung, die Einladung anzunehmen.
-
Die von Jesus geschilderte Situation ist keine alltägliche. Sie ist außergewöhnlich und extrem.
Und in dieser Situation erweist sich die „Liebe“ als der Sieger. Der jüngste Sohn hat sie erkannt
und erfahren, der Vater ebenfalls.
Die Liebe ist stärker als die Natur! Menschliche Leidenschaft, menschliche Träume, menschliche
Ordnungen, menschliche Unmenschlichkeit sind überwindbar. Auch im Tod?
Die Selbsthingabe Jesu an das Volk, die Priesterschaft und den Staat im Vertrauen auf die Liebe Gottes,
offenbar auch in der Gottverlassenheit im Sterben am Kreuz, ist für mich historisch gesehen der
Zündfunke für das Christentum. Ob die Visionen von den Jüngern – die Erscheinungen des
Auferstandenen – nun nur ein psychische Reflex sind oder historisch sind, ist wissenschaftlich nicht mehr
greifbar. Dass die Liebe als „Gott“ aber lebenswert ist, ist ein lebenswertes Experiment, das Wagnis des
christlichen Glaubens.
Es ist eine Alternative zum Fatalismus wie auch zur „Gesetzesgläubigkeit“.
Der Glaube an die Liebe ist die Möglichkeit persönlicher Existenz in historischen Situationen des
allgemeinen Alltags. Die Selbsthingabe mit allem, was ich habe im Falle der Begegnung mit einem
Menschen, dessen Existenz gefährdet ist und die ich in diesem historischen Moment retten kann.
(H-E.S.6.2.12.)/4.3.12.
51