Meinungsfreiheit.,
Es gibt wohl kein allgemeineres Ideal, als nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. - Handeln nicht nur in der
Tat, sondern auch im Reden und Denken. Leider bleibt das Denken oft verborgen und wird sogar vom Denkenden
selbst unterdrückt, wenn der Zweifel oder gar Angst ihn anfällt.
Aber auch für das Denken soll gelten: mache aus Deinem Herzen keine Mördergrube.
So mag ich mein Grübeln und Denken nicht verbergen.
Alle meine Brunnengänge sind besonders auch den Pfarrkindern geschuldet, die mich je in Dienst genommen
haben. Ich veröffentliche diese meine Gedanken in der Hoffnung auf eine sachliche Auseinandersetzung.
Meine Thesen.
I.
Das menschliche Gehirn ist mit viel Phantasie begabt. Da spuken leicht Geister, Dämonen
und Götter herum, bis hin zu einem quälenden Toben.
II.
Priester beschwören und bändigen diese Mächte.
III.
Schulen kultivieren die lokalen Vorstellungen.
IV.
Bildung emanzipiert.
V.
Naturwissenschaften objektivieren unser Wissen.
Gott ist ein Hirngespinst.
Diese Ansage mag bei vielen hämische Zustimmung finden und bei anderen Empörung auslöse. Unsere
Gottesvorstellungen sind gebändigte Hirngespenster.
Ohne sie wären andererseits die Menschen nicht vielmehr als ein Wurm, weniger als eine Made einer
Eintagsfliege.
Aller höchster Respekt vor Visionen, ideen, die unser menschliches Gehirn hervorbringt. Das ist eine einmalige
Erscheinung in der Evolution des Lebens. Alle Ehre denen, die diese Visionen und Ideen alltagstauglich machen!
Biologisch gesehen ist Religion ein Hirngespinst.
Die reine Vernunft verkürzt den Menschen auf ein funktionales Kunstprodukt.
Unsere Emotionalität treibt uns immer in eine subjektive Transzendenz.
Religiöse Wirklichkeit.
Oder
Der Mensch ist religiös.
Oder
Der Menschen Götter existieren nur in unseren Gehirnen.
E.
So gerne bin ich Pastor gewesen, dass ich jederzeit wieder Theologie studieren würde, um Pastor zu werden und zu sein.
Den Anstoß bekam ich in der “Evangelischen Jungenschaft, die Deutschritter in Weinheim an der Bergstrasse.
Unsere Heimabende begannen mit Gesang zur Klampfe und einer Bibelarbeit. Im fortgeschrittenen Alter musste jeder
von uns ein biblisches Thema schriftlich bearbeiten. Mir fiel Johannes der Täufer zu. Die unterschiedlichen
Darstellungen seines Lebens in den vier Evangelien weckten meine kritische Sicht auf biblische Texte.
Geistig anspruchsvolle Predigten unseres Pfarrers Dr. Gruennagel waren ein Anreiz, uns auch außerhalb der
Gruppenstunden sonntags im Gottesdienst in der Stadtkirche zu treffen, dem sich ein kleiner Spaziergang anschloss.
Im Kindergottesdienst lernte ich biblische Geschichten kennen. Im Religionsunterricht auf der Unterstufe des
Gymnasiums wurden die gleichen Geschichten behandelt, was meine Bibelkenntnis sicherte. Vor dem Abitur bedauerte
meine Religions- und Deutschlehrerin Frau Dr. Wien, mir keine eins im Zeugnis geben zu können, weil ich ihr so
oft widerspreche. Das empfand ich als eine Auszeichnung und gute Basis für mein Theologiestudium.
<>
Das Theologiestudium setzt das Abitur voraus und ist eine wissenschaftliche Ausbildung.
In Weinheim habe ich zunächst bis zur Obersekunda das Realgymnasium besucht. Die letzten
Gymnasialjahre verbrachte ich in Waldmichelbach im Odenwald. Rechnen war meine Stärke, nicht aber das
Auswendiglernen. Das betraf nicht nur die Sprachen, sondern auch besonders die Chemie. Diese Schwäche des
Behaltens ist mir bis heute geblieben. Vielleicht ein Vorteil. Denn alles, was ich nicht weiß oder vergessen habe,
muss ich mir neu erarbeiten. So komme ich immer in der Aktualität an, zumal ich mir meine Neugier erhalten
habe.
Erkenntnisse sind einmalig, schon weil sie überraschen. Erkenntnisse sind nicht endgültig, denn Forschung und
Entwicklung gehen ständig weiter.
So war mein Theologiestudium ein ständiges Forschen. Biblische Texte wie auch kirchengeschichtliche
Ereignisse werden sachlich analysiert und diskutiert. Das ist Geisteswissenschaft und kein Missionsnähkreis, der
mit Gebet, Andacht und Gesang begleitet wird.
Wer von uns Theologiestudenten seinen Kinderglauben retten oder seine kirchliche Treue bewahren wollte, weil
diese in Laufe des Studiums in Frage gestellt wurden, musste warten, bis er in eine Gemeinde kam. Einige von
uns bewegte dagegen das Problem: wie sage ich das, was ich als Theologe erkannt habe, einmal meiner
Gemeinde.
Zu meiner Zeit hieß der Slogan, “Christus ist in das Wort auferstanden!”. Das trennte die Studenten, die
Professorenschaft, ja die Universitäten in zwei Lager. Es waren die Bultmannschule und die Kein anderes
Evangelium Bewegung.
Als ich meine erste Pfarrstelle in Büchen antrat, wurde ich von einer Flüchtlingsfrau - Frau Kiehn - gefragt, ob
ich an die Auferstehung glaube. Als ich das bejahte und noch einen klarstellenden Satz dazu anbringen wollte,
wollte sie davon nichts hören. “Nein, schon gut, Herr Pastor, Hauptsache Sie glauben an die Auferstehung!”
Wer sich nach dem Theologiestudium in den Dienst einer Landeskirche stellen möchte, muss deren Bekenntnisse
öffentlich und feierlich anerkennen. Wer hier keine ehrliche Brücke findet, sucht an der Uni seine Zukunft oder
übernimmt die Frömmigkeit seiner Gemeinde. Das taten die meisten. Der pastorale Ton, von dem Drewermann in
seinem Buch “Der Kleriker” schreibt, überdeckt die eigenen Fragen, bis sie ganz verschwunden sind. Ja mehr
noch: Die Zweifel am Glauben werden nicht nur geleugnet, sondern, wenn sie von außen kommen, mit
Entrüstung zurück gewiesen. Psychologie, Gruppendynamik und Sozialarbeit wurden dafür zum Betätigungsfeld
in der Gemeindearbeit.
I. Theorie
1.
Was den Menschen unter den Lebewesen zum “Homo sapiens” macht, ist sein abartig entwickeltes Gehirn.
Einen anschaulichen Bericht über den Stand der wissenschaftlichen Neurologie bietet der amerikanische
Neurologe David J. Linden mit seinem Buch Das Gehirn, ein Unfall der Natur. Rowohlt 2010..
Unser Stammhirn, das wir mit dem Regenwurm teilen, regelt unser vegetatives Nervensystem. Es wird überlagert
vom Klein- oder Mittelhirn, das wir mit den Tieren teilen. Es steuert bestimmte Bewegungsabläufe als Reaktion
auf sinnliche Wahrnehmungen. Diese Reaktionen sind vererbt oder erworben.
Eine dritte Auswucherung unseres Gehirns stellt unsere Großhirnrinde, der Cortex dar. Mit dieser Wucherung
reflektiert der Mensch seine Sinneseindrücke und Bewegungsabläufe. Er verarbeitet diese bewusst.
Mein Interesse weckte die vordere linke Hirnhälfte mit samt dem Stirnlappen. Hier werden Erinnerungsfragmente
ins Bewusstsein gespült. Im Wachzustand angeregt durch Assoziationen oder Fragen, die sich gerade stellen. Die
können auch völlig daneben sein, wie so mancher es mit Verwunderung in Träumen erlebt. Hier gründet sich auch
das Brainstorming.
Aber zum Glück gibt es das Stirnhirn. Das gleicht im Wachzustand solche Ideenblitze mit der erfahrbaren
Realität ab oder mit gespeicherten Erfahrungen und gelerntem Wissen.
Diese Stellen im Gehirn seien auch die Quelle für Erfindungen und Entdeckungen ( Bild der Wissenschaft,
9/2009 ) und der religiösen Erlebnisse. ( David J. Linden S.254 ff. )
Der religiöse Mensch wie auch der Wissenschaftler und Forscher “glauben” . Das heißt sie folgen solchen
Impulsen. Doch während der Wissenschaftler die Möglichkeit hat, seine “Ideen” an der Wirklichkeit zu
kontrollieren, findet der religiöse Mensch nur dann seine Gewissheit, wenn er Glück hat, d.h., dass
Prophezeihungen eintreffen oder er eine Gebetserhörung erlebt.
Es gilt also jeweils in diese “Ideen” einen Sinn hinein zubringen, der der Realität stand hält. Eine Antenne oder
ein Sensorium für göttliche Offenbarungen haben die Neurologen bisher noch nicht gefunden.
Die Vielzahl der religiösen Botschaften, die weltweit empfangen wurden und werden, - wenn man sie ernst nimmt
- lassen den Verdacht aufkommen, dass die Götter, Geister und Dämonen den Menschen eher verwirren wollen,
als ihn aufzuklären. Ein Basta eines Anführers, der behauptet, dass er allein die Wahrheit vertritt, ist für uns heute
inakzeptabel.
An ihrer Stelle akzeptieren wir weltweit in allen Religionen Priester, Theologen und ebenso Politiker. Sie
verarbeiten “Offenbarungen” und Visionen bzw. Ideen zu zeitgemäßen Antworten - oder zu Theologien und
Programmen, die dem jeweiligen Volk helfen sollen oder wenigstens einleuchten.
Um abartige Visionen oder religiöse Spinnereien zu verteufeln, bedienen sie sich ihrer Autorität und
gegebenenfalls ihres Gewaltmonopols. Für uns gebildete Demokraten ein Unding, weswegen bei uns die
Religionsfreiheit gilt. Das heißt: Es ist mehr oder weniger Religion eine Privatsache oder nur als kultureller
Hintergrund relevant. Staatliche Gesetze oder Verfassungen lassen sich ändern oder ergänzen.
In den Fünf Büchern Mosis liegt uns so ein religiöses Produkt vor. Religiöse Traditionen aus dem Volk wurden zu
einem politischen Programm ( Der Gott der Väter, ihr Stammbaum, das verheißene Land ) und der Welterklärung
( Die Schöpfung aus dem Nichts durch Gottes ordnendes Wort ) komponiert.
Was für das Alte Testament gilt, gilt auch für das Neue Testament. So hat Klaus Becker in seinem Buch Paulus
der Völkerapostel herausgearbeitet, dass Paulus die Sühneopfertheologie über Jahre entwickelt hat, beruhend auf
seinem visionären Erlebnis, “Christus ist auferstanden”, das er mit seiner jüdisch-hellenistischen Opfertradition
verknüpfte.
Für mich liegt im Johannesevangelium und den Johannesbriefen auch ein Produkt einer theologischen Schule vor.
Im Bild des Prologes Joh. 1. “Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns” oder “Gott ist Mensch geworden”
wird gesagt, dass uns Gott nur im Menschen begegnet, in uns selbst, als innere Stimme. Und Jesus von Nazareth
hat offenbar die Nächstenliebe als den wahren Gottesdienst angesehen. ( Wer mich sieht, der sieht den Vater! -
Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. )
Transzendenzvorstellungen bedienen allein die Phantasie der Gläubigen, die nach gültigen Antworten fragen, auf
Wunder warten und sich nach Trost in einem Weiterleben nach dem Tode sehnen.
Dem selben menschlichen Bedürfnis dienen auch die Ufologie, die Grünen Männchen, Starwars und die vielen
technischen Fiktion - Romane.
<>
2.
Die kulturelle und zivilisatorische Entwicklung des Menschen beruht auf seinem Abstraktionsvermögen und
seiner Emotionalität.
Für mich ist es denkbar, dass am Anfang der geistigen Entwicklung des Homo Sapiens Emotion, Neugier
und das Abstraktionsvermögen standen. Die Fähigkeit, Werkzeuge herzustellen, wird von der Gemeinschaft
bewundert worden sein. Es nachzuahmen, wird sogar einen Wettbewerb ausgelöst haben. Darüber zu reden, wird
aufregend gewesen sein. Der Meister des Handwerks oder Erzählens wird hoch im Kurs gestanden haben. Solch
ein Gruppenmitglied zu verlieren, wird schmerzhaft gewesen sein. Die Erinnerungskultur wird wohl die Wurzel
für Verehrung, Bestattung und Religion gewesen sein. Dass Tiere, Pflanzen, Gewässer oder Himmelskörper zu
Gottheiten wurden oder gar nach deren Schöpfer und Herr gefragt wurde, werden wohl erst Vorstellungen
späterer Zeit sein.
Die größte Herausforderung war wohl über lange Zeiträume das Verhalten der Tiere und Pflanzen im
Zusammenhang von Mond und Sonne zu beobachten. Günstige Standorte zu erkennen und regelmäßig
aufzusuchen ist das Eine. Gedächtnishilfen über Beobachtungen zu sammeln, wie gekennzeichnete Steinchen
oder gekerbte Hölzer über Jahre auf zu bewahren und zu vergleichen, erforderte geschützte und respektierte
Plätze.
Wer so etwas unternahm, arbeitete rational. Er musste störende umherstreifende Tiere oder Menschen von seinem
Beobachtungsposten fernhalten. Verscheuchen, Angst machen, mit dem “Buschemann” drohen werden seine
Hilfsmittel gewesen sein. Ob sich daraus wohl die heiligen Tabu - Orte entwickelten?
Das Aufstellen von Landmarken aus Stein oder Hölzern war der nächste Schritt, um Himmelskörper über ein Jahr
oder länger zu markieren. Welch ein Staunen, wenn eines Tages dem Stamm die Funktion eines solchen rational
gestalteten Platzes erkennbar wurde. Gut denkbar, dass daraus die Motivation und Begeisterung entstand, große
Steinkreise zu errichten, die nun für nah und fern als Kalender dienen konnten. Orte an denen man sich traf und
feierte. Nicht den Erbauer und seine Helfer, sondern die Naturereignisse.
Jahreszeiten, Himmelskörper, Tiere, die dem Stamm das Leben erleichterten oder bereicherten, standen im
Mittelpunkt.
So kam wohl alles zusammen: Wissende Männer/Frauen, willige Arbeitskräfte, heilige Kultplätze, religiöse Kulte
und ein gläubiges Volk, das feiern durfte.
Auftretende Unregelmäßigkeiten stellten die Priesterschaft in Frage. Weil in solchen Situationen nicht sein kann,
was nicht sein darf, werden Opfer eingeführt. Bestechungsopfer oder Strafopfer.
<>
3.
Glaube und Wissenschaft bedingen einander. Während der Glaube sich einer unbegrenzten Freiheit erfreut, bindet
sich die Wissenschaft an eingrenzende Fakten.
Die Wissenschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie die richtigen Fragen stellt. Hinter jeder Frage steht
aber auch schon eine vermutete Antwort. Diese vermutete Antwort ist nichts anderes als “Glaube”, eine These.
Nur sucht der Wissenschaftler nach einer Bestätigung seiner Vermutung. Wenn ein Wissenschaftler die
Bedingungen seines Versuches, seiner Untersuchungen verändert, kann er stichhaltige Beweise liefern oder durch
Falsifikation das wahre Ergebnis bestätigen.
Wir brauchen also beides: die Idee und die Erkenntnis im Gelingen. Von der Struktur unseres Gehirns bedingt:
den Rationalisten, der Ideen, Visionen, Ideologien an der Wirklichkeit überprüft, sodass alltagstaugliche
Ergebnisse geliefert werden. Und wir brauchen den “Spinner”, den Unterhalter, den Träumer, den Phantasten, den
Ideologen, den Volksredner, den Künstler. Sie geben Hoffnung, sie begeistern die Massen, wenn sie die
Bedürfnisse einer ausreichend großen Gruppe befriedigen oder wenn sie ihnen klar machen können, etwas
besonderes zu sein. Setzen sie sich durch, dann haben sie wirtschaftlichen und politischen Vorteil: Wir sind das
Volk! Wir sind Papst! Deutschland, Deutschland!
Sich mit etwas besonderem, erfolgreichen identifizieren zu können, reicht aus zum Feiern und ausgelassen zu
sein. Die Inhalte, die Kosten spielen da keine Rolle. Populisten bedienen diese Bedürfnisse. Das gelingt
besonders dort, wo Wohlstand und Zufriedenheit herrscht.
Wo das Gegenteil herrscht, Not und Elend, werden Schuldige gesucht, Träume gesät und eine blinde Wut der
Zerstörung geweckt.
Das Spiel mit den Emotionen verdeckt die wahren Sachverhalte.
Mit religiösen Dogmatiken und bunten Partei- und Wahlprogrammen ist das praktische Leben nicht zu gestalten.
Der Alltag verlang praktische Lösungen. Wer aber nicht auf die Nachhaltigkeit achtet, kann nur flüchtige Erfolge
feiern..
Moderne Technik, Medizin, soziale Programme, Bildung u.a.m. sind Antworten auf die Herausforderungen der
Zeit.
<>
4.
Was der Mensch als seine Freiheit erlebt, muss zu seinem Selbstschutz in geordnete Bahnen gelenkt werden.
Individueller Pluralismus und ausufernde Modernität verdecken die Sinnfrage der menschlichen Existenz.
In der Physik gibt es das Gesetz der Selbsterhaltung der Kräfte. Energien, die freigesetzt werden, nehmen neue
Formen an. Nichts anderes geschieht auf der Ebene des Lebens. Alles Lebendige gerät in einem
Verdrängungsprozess in den Kampf ums Überleben. Sei es als Individuum, sei es als Art. Jedoch alles Leben hat
seine Zeit. Die selben Gesetze bestimmen auch die Existenz des Lebewesens Mensch. Nur hat der Mensch die
Möglichkeit, über den Sinn seines Lebens und Handelns bewusst zu entscheiden. Er kann manch eine seiner
Taten korrigieren und diese differenzierter ausgestalten. Er kann sich sein kindliches Spiel- und Spaßverhalten
sein Leben lang erhalten. Er kann wie ein Krümelmonster als Individuum alles was für ihn erreichbar ist,
zerstören und sinnlos verbrauchen. Er kann aber auch im Namen seiner Gemeinschaft unverhofft
Kulturdenkmäler schaffen, die eine so lange Zeit überdauern, dass sie späteren Generationen ein Rätsel bleiben
wie z.B. Steinkreise.
Das individuelle Sinnstreben wird von der betroffenen Gemeinschaft wie Ehe, Familie, Religion, Kommune,
Staat oder Staatengemeinschaft eingrenzend kontrolliert oder sozialverträglich beeinflusst. Dazu werden Regeln
und Ordnungen aufgestellt, Gesetze erlassen, Verfassungen beschlossen.
Jede Sinnstiftung dieser Art ist ein Kunstprojekt. Es ist revidierbar. Was modern ist, unterliegt einer zeitbedingten
Subjektivität. Spätere Generationen schauen sich die Ergebnisse mit großer Bewunderung an - Kunstwerke,
Erfindungen - oder mit beschämter Abscheu - Religionskriege, Sklaverei, Völkermord, Umweltzerstörung - .
Jede individuelle oder kollektive Freiheit wird bewusst emotional erlebt und als Erinnerung gespeichert. Die
erfahrenen Folgen dieses Handelns werden als Verantwortlichkeit erlebt. Das Empfinden, ob es rühmlich oder
sanktionsbedürftig ist, unterliegt einer zeitbedingten Moral. Ob Religion, Staat, Individuum oder Klicke, jeder
kann sich nur auf ein eingebildetes Recht berufen.
<>
5.
Selbstfindung und Selbstverwirklichung münden in eine Konfession, die nur im Geiste der Toleranz vertretbar
sind.
Die Relativität der Werte einer Religion, eines Staates oder jeder anderen Gemeinschaft fordert einen
Entscheidungsprozess.
Auslöser scheint mir zu sein, dass ich mich unbehaglich oder gar in Not fühle. Diesem Gefühl geht der Mensch
auf den Grund. Um das bestehende Selbstbefinden zu erheben, frage ich mich: Wie fühle ich mich, wer bin ich,
was sind meine Werte.
Das Wer bin ich, ist an meine jeweilige Situation gebunden. Wie fühle ich mich gerade, mit wem habe ich es zu
tun und um was geht es. Dabei kann ich auf vergangene Erfahrungen zurückgreifen, soweit sie aus meinem
Gedächtnis gerade abrufbar sind.
Welch ein komplexes Unterfangen! Früher gab es dafür den Beichtstuhl, das persönliche Gebet, ein
reflektierendes Tagebuch. Heute leisten Selbsthilfegruppen diese Hilfe, Einkehrtage oder eine Psychoanalyse.
Was sind meine Werte? Auch das ist ein verwirrendes Dickicht. Ebenfalls situations- gebunden. Wichtig ist die
Frage, wo die Wurzeln meiner Werte liegen.
Der dritte Schritt ist die jeweils kritische Überprüfung der Selbst- und Wertereflexion und die Ausschau nach
Alternativen.
Mir gelang das immer am besten im unbefangenen Gebet, einem ehrlichen Gespräch mit Gott.
Selbstfindung ist dann eine Entscheidung, die ich fälle - wohl wissend, dass es Alternativen gibt, die ich jetzt aber
ausschließe.
In diesem Bewusstsein lasse ich es zu, dass andere zu einer anderen Entscheidung kommen, kamen oder kommen
werden. Mein Weg muss nicht dein Weg sein.
Diese Toleranz eröffnet den Wettbewerb der Ideen. Den Ausgang müssen alle Wettbewerber anerkennen, so
können wir auch voneinander lernen.
<>
II. Praktizierte Religiosität.
Vielleicht sollte man die Begriffe Religiosität und Frömmigkeit voneinander abgrenzen.
Religiosität ist die neurologische Gabe, neugierig zu sein und mit überschießender Fantasie die Umwelt und sich
selbst zu deuten und zu verstehen.
Frömmigkeit ist die rituelle Umsetzung der religiösen Erkenntnisse im Alltag, zur Pflege und Verinnerlichung der
Religion, die gesellschaftlich verbindlich oder wenigstens anerkannt ist. Es sind die lokalen religiösen Kulte und
Bräuche.
Jede reformierte oder gar neue Religion übernimmt traditionelle heilige Stätten und widmet sie um. Desgleichen
werden lokale Bräuche übernommen oder variiert.
D.h., die Götter, Geister, Dämonen und heilige Personen werden ausgewechselt. Das Volk will in seinen
Gewohnheiten ernst genommen werden. Theologische Differenzen interessiert es nur bedingt.
In einer säkularen Gesellschaft verzichtet man auf die Gottheit. Sie ist nur noch Feiertagsschmuck, Um Festtage
oder Riten zu begehen braucht man die Realität der Gottheit oder den “Buschemann” nicht mehr. Der merkantile
Anteil und die juristischen Rahmenbedingungen sind säkular geordnet.
Kirchen uns Tempel werden zu touristischen Orten.
<>
Um die gegenwärtig praktizierte Religiosität zu verstehen, gehe ich ebenfalls von der Neurologie aus.
Die lebensnotwendige Neugier teilt der Mensch mit den Tieren. Nur, da der Mensch sich der
sinnlichen Wahrnehmungen bewusst wird, so glaube ich, kann er seine Neugier steigern. Er fokussiert besonders
interessante Objekte, löst sie aus der Umwelt und mach differenzierte Beobachtungen. So entwickelt er ein
Abstraktionsvermögen.
Die Beobachtungen speichert unser Gehirn aber nur in einem emotionalen Kontext, hier das Erlebnis einer
Entdeckung, gepaart mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen. Auch die lernt er zu abstrahieren in die
Urteile gut und böse. Erkennt er sich nun noch als einer, der etwas bewirken kann, wird er seine Erkenntnisse aus
der Natur und dort entdeckte Wirkungsmechanismen auch in seinen Dienst nehmen. Eine sachliche Entdeckung
wird nutzbringend angewandt. Tritt der Erfolg ein, erfährt der Mensch auch eine positive Stimmung.
So ergeben sich drei Ebenen: Sachliche Erkenntnis (Cortex), nützliche Handhabung (linke Hirnhälfte und linker
Stirnlappen), emotionale Erregung (Amygdala).
<>
Die Kulturelle Entwicklung und zivilisatorische Handhabe unseres geistigen und technischen Reichtums ist so
schier undurchschaubar und unfassbar geworden, dass sich die Ebenen von einander trennen.
Ein Handy muss funktionieren. Das Innenleben interessiert nicht, nur die Funktion. Das zu
verabredende Date kann einem gesellschaftlichen Zweck dienen oder auch kriminell sein. Der sich anschließende
Diskospaß ist reiner Selbstzweck, wie auch das Verprassen kriminell erworbener Güter.
Die Anonymität der Mittel des Vorgehens und des Genusses ist unserer Massengesellschaft und unserem
Wohlstand geschuldet. Jegliche Autorität ist relativiert.
Die Gesellschaft löst sich in Individuen auf. Das Angebot von Konsumartikeln ist unüberschaubar.
<>
Unsere Alltagsfrömmigkeit
ohne Gott.
Träume.
Träume der Nacht in den Tag hinüber zu retten, Träume bei Tag zu haben, ist offenbar alleine ein menschliches
Privileg. Neurologisch sehe ich hier die Religiosität des Menschen begründet.
Wie schön ist es zu träumen, bei der Arbeit einen Schatz im Acker zu finden, der die Möglichkeit eröffnet, für den
Rest des Lebens ausgesorgt zu haben oder eine Erfindung zu machen, ein Patent zu bekommen, weltweit ein
Buch zu verkaufen.
Andere träumen von einem Prinzen oder einer Prinzessin als Traum - Lebenspartner.
Wie viele träumen von einer traumhaften Party, einem Supererlebnis oder haben den sehnliche Wunsch nach einer
befreienden und erlösenden Medizin. Aber auch negative Wünsche als “Verwünschungen” bewegen den
Menschen: Der Tod eines Feindes.
All das ist auch Inhalt täglicher Gebete. Ob nun bescheiden berechtigt oder unmoralisch.
Was der Mensch weltweit als Gebet - zum Teil in Bescheidenheit und Unterwürfigkeit oder begeleitet von Opfern
und Gelöbnissen vor ihren Gott bringen, reflektieren andere direkt als Wunsch, als Traum, als Sehnsucht ohne
dabei den ortsüblichen Gott ins Kalkül zu ziehen. Sie denken dabei eher an einen unbekannten Menschen, der
ihren Weg kreuzen könnte oder an das anonyme Schicksal.
Wem ein Kinderwunsch unerfüllt bleibt, sucht medizinische Hilfe. Wer glaubt, dass Sex das Schönste im Leben
sei, achtet auf ansprechende Kleidung, macht sich schlau in Fragen der Technik und fragt nach viel
versprechenden Hilfsmitteln. Die mollige Venus von Willendorf wird nur mitleidig beschmunzelt. Das
Geheimnis der Fruchtbarkeit ist einer liberalen Sexualität bis hin zur Pornographie und Kindesmissbrauch
gewichen.
Kulte.
Unsere Alltagskultur ist ein vielfältiges Angebot. Sie eint nicht die Gesellschaft, sondern ist ein breites
vielfältiges Angebot. Mitgliedschaften sind freiwillig und kündbar.
Jesus von Nazareth muss vielen Zeitgenossen als der Messias erschienen sein. Aber von denen gab es
damals viele. Ich glaube, ohne seinen fragwürdig begründeten Kreuzestod, wäre er anonym in der Geschichte
untergegangen. So wurde er zu einem Fanal für viele Menschen.
Solche Menschen hat die Geschichte immer wieder hervorgebracht.
Kultfiguren unserer Zeit:
Diana, die geschiedene Prinzessin wird durch einen Unfalltod zur Königin der Herzen. Weltweit wurde sie
betrauert und Millionen verfolgten die Beerdigungszeremonie im TV.
Fast gleichzeitig starb Mutter Theresa, die in Indien einen Frauenorden begründet hatte, der Sterbende auf den
Strassen in den Tod begleitete. Als Albanerin wurde sie zur Volksheiligen, vom Papst Johannes Paul II selig
gesprochen.
Das Sterben von Papst Paul wurde zu einem Medienspektakel in der kath. Glaubenswelt.
Wie wurde der Theologe Ratzinger als Papst Benedikt in Deutschland vermarktet: “Wir sind Papst“ war die
Schlagzeile in unserem Boulevard Tagesblatt..
Es bleibt nur zu hoffen, das die Obamamanie nicht ebenfalls so tragisch endet, wie der Hoffnungsträger John F.
Kennedy.
Die Masse erschafft ich ihre Mythen.
Filmschauspieler/innen Sportsasse bewegen die Herzen und Gemüter ihrer Generation. Ihr oft gnadenloser
Niedergang lässt diese Menschen oft in verschämter Anonymität verdämmern. Die an sie gebundenen Träume
verblassen nur wenig, im Gegenteil, sie sind die Erinnerung an eine vergoldete Jugend.
Haben die antiken Sporthelden ihren Sieg einer Gottheit geweiht, widmen heutige Olympiasieger bestenfalls ihre
Medaille einem ihrer Förderer.
Filmschauspieler/innen sprechen von ihrer Traumrolle, spielen aber nie sich selbst, sondern konstruierte
Traumbilder.
Göttliche Visionen oder Erlöserfiguren sind nicht erforderlich. Hoffnungsträger werden im allgemeinen Umfeld
gesucht.
Wünsche bewähren sich auch als Gebete ohne Gott. Sie sind direkt und konkret emotional nicht nur begründet
sondern oft auch sachlich gerechtfertigt. Sie müssen rational geläutert werden und auf die soziale Praktikabilität
ihrer jeweiligen Gesellschaft angelegt sein.
Spaß
Spaß haben, feiern ist zur Alttagskultur geworden. Um sich zu treffen, ergeben sich heute schnell ausreichend
Gründe.. Aus Freiheit wurde Freizeit, aus Wohlstand Konsum.
Dr. Helmut Kohl hat einmal in seiner Regierungszeit von der “Spaßgesellschaft” gesprochen. Ob es
ein aufgegriffener Begriff war oder sein eigener, es ist eine für den Mensche wesentliche Charakterisierung, die
besonders auf unsere Tage in den westlichen Wohlstandsgesellschaften zutrifft. Aber auch schon früher wurde
getanzt und gefeiert. Nur nicht jedes Wochenende, sondern an wenigen Höhepunkten des Lebens oder des Jahres.
Traditionspflege, öffentliche Gemeinschaftsarbeit, Wissenschaft, Gemeinschaftspflege treten in den Hintergrund
zugunsten des Konsums und des Kommerzes.
Im Volksmund heißt es sogar: Spaß muss sein, sonst geht keiner zur Beerdigung.
Bleiben wir beim Spaß.
Mit dem Walzer fing es an. Es folgte der “unmoralische” Tango. Was aber die Volkstänze und Volksmusik in den
fünfziger Jahren ablöste, war für meinen Vater und seine Generation Negermusik. Sie kam von den Amerikanern,
unseren Siegermächten.
Damit meinte er den betonten Rhythmus, und verband die monotone Trommellei mit “Negertänzen”. Würde er
heute das Gehopse und Geschrei in den Wochenenddiskotheken sehen, er würde mit vielen den Kopf schütteln.
Hier haben alte rituelle Tänze ihren Bezug zu kultischen Feiern zur Beschwörung von Gottheiten den Inhalt und
die Form verloren. Aber die Exstase, die sie begleitenden Drogen sind ebenfalls übernommen und eine
Alltäglichkeit.
Was ist aus dem Fußball geworden? Während der Spiele in Südafrika zur Fußballweltmeisterschaft hörte man als
Dauerton einen Chor von geblasenen Vuvuzelas. Ein altes Kultblasinstrument verdrängte die chorischen
Begleitkommentare zum Spiel selbst. Es ging nur noch um die Hochstimmung.
Aberglaube
Der Aberglaube ist zu einer privaten Modesache geworden.
In den Autos hängen Glücksbringer. In den südlichen Ländern sind es Gebetsketten. Bei den z.T.
desaströsen Strassen- und Verkehrsverhältnissen, hätte früher jeder vor der Reise darum gebetet, gesund und
erfolgreich nach Hause zurück zu kommen. Heute trauen sich manche nicht in ein Auto zu steigen, dass nicht
solch ein Plastik oder Plüschgebilde am Rückspiegel baumeln hat.
Astrologie, Karten legen, Pendeln, die Krake Paul befragen sind gottloses vorchristliches Erbe.
Aufkleber, bedruckte T-shirts haben ihre ehemalige magische Bedeutung als Kriegsbemalung verloren. Sie sind
zu persönlichen Bekenntnisse geworden oder dienen der Reklame.
Autorität.
Die Medien haben unser Leben schnelllebig gemacht. Jeden Tag erfahren wir Neues. Eine Flut von Informationen
ohne Tabus bricht jede konservative Behäbigkeit auf. Das bekommt besonders unsere abendländische Kultur zu
spüren.
Der Monotheismus, autoritäres und singuläres Denken, Parolen wie Ein Volk, ein Glaube, eine
Religion, ein Staat. Cuius regio, eius religio sind in dem Maße relativiert worden, wie die Welt kleiner wurde.
Mit der Aufklärung entfernten wir uns in dem Maß von Gott und Herrschaft, in dem wir unser Wissen von der
Materie vertieften. Die jüdische Tradition: Macht Euch die Erde untertan ist Realität geworden. Der
abendländische Mensch ist so sehr in den Mittelpunkt getreten, dass auf unserem Miniplaneten sogar eine Miss
Universum gewählt werden kann!
Die Natur ist zur einer mathematisch berechenbaren Materie simplifiziert worden, dass Naturschützer, Vegetarier
und Klimatologen Respekt und Verantwortlichkeit für die Natur als gemeinsamen Lebensraum einklagen müssen.
Sie prophezeien den selbstverschuldeten Untergang unserer Zivilisation. Die Emotionalität ist im Abendland auf
der Strecke geblieben.
Heimatfilme und Liebe sind Kitsch. Hass ist ein Verbrechen. Ein Leben ohne Gott, besonders den Gott der Liebe
überlassen wir den Gutmenschen. Die bewundern wir dann, aber unser Leben des Wohlstandes und Spaßes bleibt
davon unberührt.
Der Islam lehr die Ergebenheit in den Willen Gottes. Das wahre Leben finde erst in der Transzendenz statt. Er
wehrt sich gegen die eigenmächtige Manipulation des menschlichen Lebens. Doch scheint auch dort der
Allmächtige im Paradies zu verschwinden. Die radikalen Gläubigen greifen zu allen Mitteln, Allah zu
verteidigen und seine “Feinde” zu bekämpfen - weil er es selbst offenbar nicht tut,
Auch die christlichen Fundamentalisten negieren viele wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie geißeln den
Materialismus als Sünde, bedienen sich jedoch aller technischen Bequemlichkeiten.
Christen und Muslime frönen der Spaßkultur. Die Christen wollen in der Jugend nichts verpassen, die Muslime
desgleichen nicht im Paradies.
Zivilisation.
Was der christliche Mensch seinem Gott an Fähigkeiten zutraute, nimmt er nun in seine eigene Regie.
Der Mensch hatte seine eigenen - eifersüchtigen Träume - in Gott gespiegelt: Heute: Väterlich sein,
erwarten wir heute vom Staat.. Schöpferisch sind wir mit Hilfe von Wissenschaft und Technik. Ubipräsent sind
wir in den Medien, im Internet. In den Medien überleben in Sprache Bild und Ton. Big Brother is watching you,
und nicht der liebe Gott!
So sehr sich der zivilisierte Mensch von der Vorstellung der Hingabe an Gottes Willen emanzipiert hat, bleibt er
doch im Grunde seiner Existenz dem Aberglauben verhaftet. Wie oft verfallen wir - besonders nicht bewusst
religiös bekennende - unbedacht in die Äußerungen wie “ Ach Gott im Himmel”, “Um Himmelswillen!”
In nicht alltäglich überraschenden Erfahrungen titeln sogar Tageszeitungen: “Gott bohrte mit.” ( Die
Bildzeitung nach der Rettung verschütteter Bergarbeiter von Längete) oder “Gott hat gewonnen” ( die Welt vom
14.Oktober 2010 ). Im Grunde genommen eine “Blasphemie”! Es waren doch Entscheidungen
verantwortungsbewusster Menschen, die sich nicht den Gegebenheiten eines Unglücks - Schicksals - abfanden,
sondern unter Aufbietung hoher Geldbeträge und technischer Instrumente ihre Reputation wagten.
Und welch eine Irrationalität zog im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2010 die Aufmerksamkeit um die
“Krake Paul” auf sich!
Es gibt kein Happy End.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Diese märchenhafte Idee müssen wir uns
abschminken. Es gibt immer nur ein open end, dem ein neues Kapitel folgt. Die Evolution scheint unsere
Ursuppe zu sein.
Es ist ein weiter existentieller Spagat, der sich dem Menschen eröffnet: Exklusiv kultiviert oder im
existentiellen freien Fall zu leben.
Es war disziplinierend für eine geschlossene Gesellschaft, jedes Mitglied zu synchronisieren mit einem
Harnisch aus Luthers Kleinem Katechismus und einer allgemein vorgeschlagenen täglichen Bibellese. Ein
übergeworfenes Gewand der Öffentlichkeit, der sonntägliche Gottesdienstbesuch und wohltätigen Spenden
bewahrten äußeren wie inneren Frieden. Unsere Vorfahren hofften auf das ewige Leben mit Gott.
Ist unsere heutige Gesellschaft ist in diesen Vorstellungen verunsichert.
An die Stelle der lokalen oder nationalen Religionen ist der globale Konsum getreten. Er müllt uns voll!
Supermärkte, Modelabel, Reklamen, Medien begleiten uns überall. Nie lassen sie uns alleine. Musik soll uns
stimmulieren, Handys vernetzen uns allerorts. Individualität wird uns zwar vorgegaukelt, jedoch einen Ort
für eine echte individuelle Lebensgestaltung zu finden, wird schwer gelingen, ohne bald entdeckt zu werden.
Ich denke, in der vorindustriellen Zeit fanden viel mehr Menschen Gelegenheit, - während mühevoller
Arbeit wie auch in Dämmerstrunden, kritisch den Alltag zu beobachten und zu räsonieren. Sie werden die
wenigen Nachrichten, die an ihr Ohr kamen intensiver reflektiert haben, als wir es tun. Da wurde man im
Alter dann weise.
Wer heute in sich geht und sich den Fragen seiner Umwelt stellt, wird vor lauter widersprüchlicher
Informationen weder eine sichere Antwort auf das finden, was moralisch gut oder böse ist, noch einen
allgemein gültigen Lebenssinn vermitteln können. Eingebunden in die Öffentlichkeit, muss er ich
profilieren. Am Ende ist vieles zynische Wortklauberei.
Vielleicht bleibt uns Menschen nur das Bekenntnis, zu wissen, dass wir glauben, vagabundierender
Sternenstaub zu sein.
Der Mensch sollte sich mit einem Kompromiss von aktuellem Wissen, persönlichen Glauben und dankbarer
Lebensfreude zufrieden geben.
(H-E.S. 1.11.2010.)
5